Plötzlich ist nichts mehr wie es war

Veröffentlicht am 27. April 2024 um 13:31

Jetzt sitze ich hier und fange an meine Geschichte niederzuschreiben, wozu mich mein Mann schon lange ermutigt und mir kommen schon bei den ersten Worten die Tränen, wenn ich daran zurückdenke. Ist doch gut so, ermutigt er mich, wieder ein Schritt alles aufzuarbeiten und ich denke mir nur, warum mich alles immer so bewegt.
2010 war mein Schicksalsjahr. Vorher dachte ich, mich haut rein gar nichts um. Arbeiten, Kinder, renovieren und Haushalt bis nachts um zwölf und morgens wieder voller Elan, um sechs mit guter Laune und Musik, hüpfend im Bett, welche meinem Mann schon auf die Nerven ging.


Dann kam alles Schlag auf Schlag! Der Tod meines mit im Haus lebenden Opas, nicht zu wissen, ob wir nun hier weiter wohnen bleiben können, die plötzliche Arbeitslosigkeit meines Mannes und die daraus entstandenen Existenzängste. Gerade mal 28(ich) und 26(mein Mann) mit drei Kindern 9, 2 und 1. Es hat sich alles in kürzester Zeit wieder beruhigt. Neuer Job und wir konnten das Haus kaufen kamen die ersten Zipperlein. Davor war krank sein tatsächlich ein Fremdwort und so konnte ich das alles rein gar nicht einordnen.
Ich wurde wieder schwanger und musste schon am Anfang für Infusionen ins Krankenhaus, was ich mir nach drei tollen, problemlos verlaufenden Schwangerschaften überhaupt nicht erklären konnte. Dann bekam meine älteste Tochter plötzlich die Diagnose Gendefekt Neurofibromatose II, vererbt von ihrem leiblichen Vater. Viele Untersuchungen mussten in kürzester Zeit gemacht werden und die schlechten Nachrichten häuften sich. 7 Tumore, alle zwar gutartig, aber auf Nervenbahnen liegend, wurden in ihrem Körper gefunden und es hieß sie könnte querschnittsgelähmt und taub werden. Hochschwanger mit unserer vierten Tochter, hat mir das endgültig den Boden unter den Füßen weggezogen.


Bauchkrämpfe und Kreislaufbeschwerden bis kurz vor der Bewusstlosigkeit, Herzrasen, und Atemnot begleiteten mich von nun an. Ärzte konnten nichts feststellen und ich fing vor lauter Verzweiflung an meine Symptome zu googeln. Das endete letztendlich darin das ich dachte ich sterbe entweder plötzlich an einem Herzinfarkt oder an einer unheilbaren Krankheit. Kurze Besserung trat mit der Geburt ein, um circa ein viertel Jahr später komplett auszuarten. Ich konnte weder einkaufen noch Autofahren, aus Angst irgendwo zusammenzubrechen und die Leute könnten etwas bemerken oder ich könnte einen Unfall bauen. Auch alleine mit den Kindern zu Hause zu bleiben viel mir immer schwerer aus Angst ich könnte plötzlich sterben und sie könnten, weil sie noch so klein sind keine Hilfe holen und müssten mich sterben sehen. Wenn ich heute darüber nachdenke, ist das alles vollkommen absurd, aber damals konnte ich meine Gedanken nicht steuern.


Das solche Schmerzen, welche ich ja definitiv hatte, allein von der Psyche kommen können, hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst und hat mir auch niemand gesagt. Erst viele Notaufnahmen später bekam ich die Diagnose Panikattacken. Ich frage mich heute noch ob sich alles nicht so in mir manifestiert hätte, wenn mich irgendjemand eher darüber informiert hätte, dass es so etwas eben gibt.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.